Acht Ausdrücke des Lebens, aus einer anderen Perspektive betrachtet

Das Leben wählen

Es gibt wahrscheinlich ebenso viele stimmige Weisen, die acht griechischen Begriffe für Leben zu deuten, wie es menschliche Wege gibt. Diese acht Worte ermöglichten es den Griechen, die Komplexität des Lebens mit Gelassenheit zu leben. Wir übersetzen sie alle mit „Leben“ – ein Schwarz-Weiß-Blick angesichts der Farben des Daseins. Hier folgt ein zweiter Versuch, mein eigenes Erleben dieses Lebensreichtums auszudrücken.

1. Bios (βίος) – Das biologische Leben

Das messbare, biologische Leben. Es ist das Leben, das durch Instrumente quantifiziert werden kann. Es gehört zur Zeit, zur Entwicklung, zur Zerbrechlichkeit. Es gehört zum Kosmos – denn es sind die kosmischen Energien, die Formen erschaffen, nicht die Eltern. Im engeren Sinne bezeichnet Bios das intrauterine Leben – eine Matrix, die kosmische Energien auf einen bestimmten Punkt konzentriert: den materiellen Körper.

2. Zao (ζάω) – Das belebte Leben

Nachdem es aus diesem kleinen Paradies vertrieben wurde, muss der Bios-Körper lernen, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Um diesen Lernprozess nicht zu stören, besitzt er noch kein Selbstbewusstsein – und ist daher freiwillig, kooperativ, beinahe gefügig. Das hindert ihn jedoch nicht an Ausbrüchen von „Wahnsinn“ – wie sich auf den Boden zu werfen, ähnlich wie ein chinesischer Roboter ohne Selbstbewusstsein. Diese Phase dauert, solange sie eben dauert – sagen wir drei bis fünf Jahre.

3. Psyché (ψυχή) – Das innere Leben

Die lebendige, bewegliche Seele. Psyché fühlt, zweifelt, träumt. Sie ist die innere Stimme, manchmal verletzt, manchmal klar. Diese Phase faszinierte das 20. Jahrhundert, das versuchte, das Leben auf psychische Traumata zu reduzieren. Die erste Manifestation der Psyché in einem Leben fällt mit der ersten bewussten Erinnerung zusammen – und ermöglicht somit das Selbstbewusstsein.

4. Zoé (ζωή) – Das wesentliche Leben

Das Leben als Welt, die sich durch jede Form ausdrückt – sei es Staub, Galaxie oder Wesen. Zoé lehrt, dass Leben und Form untrennbar sind, dass jede Form ihre eigene Weltsicht trägt – eine reine Kraft, unveränderlich, solange die Form existiert.

Für einen Schamanen ist es genug, sich mit einer beliebigen Form zu identifizieren, um in diesem Multiversum zu reisen, das das kollektive menschliche Universum sprengt – jenes, das von der Angst, ausgeschlossen zu sein, beherrscht wird. Zoé stirbt nicht. Sie mutiert mit dem Körper bei dessen Auflösung. Sie dringt in jedes geschaffene Objekt ein und zeigt, dass das menschliche Bewusstsein nur deshalb besonders erscheint, weil es Worte benutzen kann.

Doch in Wahrheit ist Zoé jene absolute, allgegenwärtige Präsenz, die nichts unterbricht.

5. Poïese (ποίησις) – Das schöpferische Leben

Das Leben, das Worte erschafft – aber nicht zur Kommunikation (was für eine Verschwendung!), sondern um mit dieser virtuellen, außergewöhnlichen Tonerde ganze Welten zu formen. Aus dem Nichts, oder fast. Aus einigen Buchstaben – vorzugsweise Konsonanten.

Poïese gibt Form, erzeugt, verwandelt. Sie ist die Quelle aller lebendigen, sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung.

6. Agapè (ἀγάπη) – Das verbindende Leben

Bedingungslose Liebe. Agapè verbindet ohne Besitz, verbindet ohne Erwartung. Sie ist das Leben, das frei zwischen den Wesen fließt – das unzerstörbare Band, das zurückkehrt, um uns in unserem freien Fall aufzufangen, der seit 10.000 Jahren andauert. Agapè ist weder auf mich noch auf dich zentriert, sondern auf die Verbindung selbst.

Hier ist die Form noch da, du und ich existieren noch, aber wir sind zu Beobachtern geworden – nicht voneinander, sondern der Ariadnefäden, die uns verbinden und nun unsere Handlungen leiten. So braucht Agapè keine Formen mehr – obwohl sie bleiben – und keine Worte mehr – anders als Poïese. Sie ist das reine Band, das Gegensätze vereint – das gesuchte Neutrale.

Ich würde es so beschreiben: In der innigen Verbindung zweier Seelen zeigt sich ein drittes Prinzip – leise, aber kraftvoll –, ein Egregor, das die Dualität übersteigt und ihr Handeln beseelt.

7. Gnosis (γνώσις) – Das wissende Leben

Erlebtes, inneres Wissen. Gnosis lässt sich nicht lernen – sie offenbart sich. Sie ist Resonanz, stilles Wiedererkennen. Sie ist Allgegenwart, Allwissenheit, Allmacht – in einem Rahmen, der Form, Sprache und Verbindung übersteigt. Sie übersteigt Zoé, Poïese und Agapè – die selbst bereits Psyché, Zao und Bios überwunden hatten. Das Ganze gleicht einer Pyramide, sicher auf ihrer Basis gegründet.

8. Kénôsis (κένωσις) – Das entleerte Leben